Apps gegen Angststörungen – Testübersicht
Ende 2021 veröffentlichte dann die Stiftung Warentest einen Testbericht über neun Gesundheits-Apps (von insgesamt sieben Anbietern) in diesem Kontext. Als Anwendungsgebiet wurden Angststörungen ausgewählt, also Panikstörungen, Agoraphobie und soziale Störungen. Grundlage ist in der Regel eine Verhaltenstherapie. Dieser Bericht soll einen groben Überblick über die getesteten Apps geben, das Vorgehen im Test und das Ergebnis. Den detaillierten Artikel zum Test finden Sie bei der Stiftung Warentest unter „Apps gegen Angststörungen: Raus aus der Isolation“.
Getestete Apps gegen Angststörungen
Sechs der sieben Anbieter der getesteten Apps (alle bis auf Kim Fleckenstein) haben grundsätzlich DiGAs in ihrem Produktportfolio, das heißt, sogenannte „Apps auf Rezept“. Von den getesteten Apps selber sind aber nur vier auf Rezept erhältlich (Velibra, Mindable Panikstörung und Agoraphobie, Selfapy Panik und Invirto).
Aber schauen wir uns die Anbieter und ihre Apps einmal genauer an:
- HelloBetter arbeitet daran, die psychologische Grundversorgung auf breiter Front zu verbessern. Die hier getesteten App „HelloBetter Panik“ (gegen Panikstörungen und Agoraphobie) gehört zu insgesamt sieben Apps des Anbieters zur Behandlung von psychischen oder mentalen Problemen. Auf der Webseite von HelloBetter findet man ferner drei als DiGA zugelassene Apps (Stress & Burnout, Diabetes & Depression, chronischer Schmerz) und zwei weitere für die Prävention. HelloBetter bietet also ein umfangreiches Portfolio an digitalen Lösungen für mentale Prbleme an.
- “Invirto – Die Therapie gegen Angst“ bietet eine Behandlung von Agoraphobie mit und ohne Panikstörung, von Panikstörung und sozialer Phobie an. Die (Audio- oder Video-) Inhalte in der App werden ergänzt um Gespräche mit Therapeuten und Übungen in der virtuellen Realität (die Ausrüstung, eine Virtual Reality Brille, stellt der Anbieter dem Patient). Invirto ist als DiGA vom BfArM vorläufig zugelassen.
- Kim Fleckenstein ist Heilpraktikerin für Psychotherapie, Hypnosetherapeutin, Meditationstrainerin, NLP-Master und Coach, deren Programme für „Agoraphobie“, „Soziale Phobie“ und „Panikstörung“ im Test berücksichtigt wurden. Sie ist die einzige App-Anbieterin, die keine zugelassenen DiGA, also eine „App auf Rezept“, in ihrem Portfolio hat. Auf ihren Webseiten sinnsucher.de und kimfleckenstein.com bietet sie sehr unterschiedliche Kurse an, auch zu Themen wie Achtsamkeit oder Spitualität. In den Test wurden ihre drei Apps aufgenommen, da bei ihr laut Stiftung Warentest mehr als 1.000 monatliche Webseitenaufrufe zum Testzeitpunkt im Mai 2021 vorlagen.
- Mindable Health bietet die App “Mindable Panikstörung und Agoraphobie“ an. Sie realisiert eine Verhaltenstherapie basierend auf drei Schritten: „In drei Behandlungsschritten lernst du deine Ängste verstehen, deinem Körper wieder zu vertrauen und unabhängig von Angst durchs Leben zu gehen.“ Mindable ist als DiGA vom BfArM vorläufig zugelassen.
- Von Novego ist die App „Novego – Ängste überwinden“ im Test enthalten. Novego bietet – wie HelloBetter – zahlreiche verschiedene Apps gegen psychische und mentale Probleme, wie beispielsweise „Depressionen bewältigen“, die als DiGA zugelassen ist, oder andere wie „Burnout“ oder eben „Ängste überwinden“. Zum Online-Unterstützungsprogramm in der App gehört bei Novego auch der Austausch mit erfahrenen PsychologInnen, beispielsweise über geschriebene Nachrichten.
- Selfapy bietet drei als DiGA zugelassenen Online-Kurse (nur als Webseite, nicht als Handy-App) an: „Depression“, „Generalisierte Angststörung“ und die im Test von Stiftung Warentest enthaltene „Selfapy Panikstörung“. Alle drei Kurse haben die Zulassung als DiGA vom BfArM (zunächst vorläufig) bekommen.
- Die Firma GAIA ist im BfArM-Verzeichnis gleich mit vier DiGA vertreten. Stiftung Warentest hat sich „velibra“ im Rahmen des Tests angeschaut. velibra ist bereits dauerhaft ins DiGA-Verzeichnis aufgenommen und behandelt alle drei Komplexe Panikstörung, Agoraphobie und Soziale Phobie.
Testdurchführung
Typische Bestandteile der getesteten Apps, die in der Regel auf einer Verhaltenstherapie aufbauen, sind Tagebücher, Chat-ähnliche Dialoge zwischen Nutzer und App, Lehrmaterial (zum Beispiel Videos) sowie verschiedene Übungen. Bei den meisten Apps ist ein Austausch mit Mitarbeitern des jeweiligen Anbieters (oft Psychotherapeuten), typischerweise über Chats oder Mails, aber bei einigen Apps auch per Videocall möglich.
Am höchsten wird im Test das der App zugrundeliegende Konzept bewertet (40%). Zwei GutachterInnen mit psychotherapeutischer Expertise bewerteten die Informationen der Anbieter und arbeiteten mit der App. In diese Kategorie fließen unter anderem die verwendeten Methoden, die Qualifikation der Entwickler und die Einbindung von PatientenInnen ein.
Zu 30% ging der medizinische Nutzen in die Gesamtbewertung ein, d.h. die zum Beispiel bei der Zulassung als DiGA bereits bewerteten Studien und Studienergebnisse wurden (erneut) herangezogen und bewertet.
Ein IT-Experte (beispielsweise zur Bewertung der Verschlüsselung und den Umfang der erhobenen Nutzungsdaten) und ein Jurist (für Mängel in der Datenschutzerklärung) bewerteten den Basisschutz persönlicher Daten der Nutzer, der ebenfalls zu 30% in die Gesamtbewertung einging. Mängel in den AGB gibt es übrigens bei keinem der Anbieter (alle Bewertungen „sehr gering“ und „keine“).
Testergebnis
In der Gesamtsicht auf den Test muss ich sagen, dass ich enttäuscht bin. Nicht zuletzt aufgrund der recht prominenten Anbieter (wenn man denn App-Anbieter so nennen will, die es geschafft haben, eine oder mehr Apps als DiGA beim Bundesinstitut für Arzneimittel & Medizinprodukte zugelassen zu bekommen) hätte ich durchgängig gute Ergebnisse erwartet. Im Ergebnis aber reicht es im Test für die Anbieter lediglich zweimal für die Note „gut“ und dann zweimal die Note „befriedigend“, einmal „ausreichend“, einmal „mangelhaft“ und einmal konnte – mangels Unterstützung zum Beispiel durch Testcodes für die Apps – keine Note vergeben werden.
Aufgrund der unterschiedlichen Situation der Kosten (Kosten für DiGA müssen bei entsprechend vorliegender Diagnose von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden), habe ich die Testergebnisse hier nach „DiGA oder keine DiGA“ differenziert dargestellt:
- velibra (Note 2,3) 64%
- Mindable Panikstörung & Agoraphobie (Note 3,2; vorl. zugel.) 46%
- Selfapy bei Panikstörung (Note 3,2; vorläufig zugelassen) 46%
- HelloBetter Panik (Note 2,0) 70%
- Novego – Ängste überwinden (Note 3,9) 32%
- Kim Fleckenstein Apps (Note 4,6) 18%
Bei Selfapy wird kritisiert, dass die App kaum auf den Nutzer, d.h. zum Beispiel seine Rückmeldungen an die App, eingeht und quasi immer ihr Standardprogramm „abspult“.
Bei Novego mussten die Tester nach eigener Aussage – mangels Unterstützung durch den Anbieter – „verdeckt“ testen. Für Invirto – Die Therapie gegen Angst wurde keine Note vergeben, da ein Test mangels Kooperation des Anbieters nicht einmal möglich war. Erstaunlich: Invirto ist als DiGA vom BfArM zugelassen, der belegte Nutzen wird von Stiftung Warentest trotzdem nur mit mangelhaft (Note 4,7) bewertet.
Aussenseiter im Test sind eigentlich die drei Anwendungen von Kim Fleckenstein. Als einzige Anwendungen werden sie von keiner Krankenkasse finanziert. Kim Fleckenstein bietet die drei Apps als Selbstlernkurse nach einer eigenen Methodik an, zu der, je nach App, unterschiedlich viele Minuten eines individuellen Videocalls gehören (von 0 bis 90). Alle drei Apps von ihr bekamen die Note „mangelhaft“.
Die Preise für die Apps gehen von 35 € bis 952 €. Allerdings sollte in der Regel, so meine Empfehlung, eine als DiGA zugelassene App verwendet werden, da diese Kosten dann von der Krankenkasse erstattet werden (und so für den Patienten weniger relevant sind).
Mehr Details zum Test und die Noten für die verschiedenen Kategorien für jede App gegen Angststörungen gibt es bei der Stiftung Warentest unter „Raus aus der Isolation – Apps gegen Angststörungen“.
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