Der smarte Arztbesuch

© www.flickr.com by Marco Verch
Es war früh morgens und ich konnte nicht mehr schlafen, als ich an den Aufruf von Frank Stratmann denken musste, ihm zu schreiben, was wir von der Zukunftsmedizin und der Digitalisierung des Gesundheitsgeschehens erwarten (siehe der Artikel von Frank Stratmann: „Brauchen wir eine smarte Praxis?“).

Da mir auf einmal tausend Ideen dazu in den Kopf kamen – inklusive vieler Möglichkeiten, über die ich auf dieser Webseite schon geschrieben habe – setzte ich mich an den Rechner und beschrieb einmal, wie ich mir einen smarten Arztbesuch in einer Praxis in der (nahen) Zukunft vorstellen kann.

Viel Spaß beim Lesen!

Terminvereinbarung

In der Zukunft kann ich über meinen virtuellen persönlichen Assistenten VPA (zum Beispiel iPhone & Siri) einen Termin durch den automatischen Abgleich meines Kalenders mit dem Terminprogramm der Arztpraxis vereinbaren lassen (oder wie Google es auf der I/O 2018 vorgestellt hat: mein Google Assistant telefoniert dazu mit dem Google Assistant der Praxis).

Dabei muss ich nur meine Beschwerden (als Grund für den Arzttermin) eingeben und mein VPA ermittelt aus den folgenden Daten, die auf meinem Handy gespeichert sind, bei welchem Arzt (welcher Fachrichtung) ein Termin am sinnvollsten und somit welcher anzurufen ist: die Kontakte aus meinem Telefonbuch, meine Gesundheitsakte sowie bei Bedarf meine gespeicherten & aufgezeichneten Gesundheitswerte.

Auf der anderen Seite, in der smarten Praxis, wird mit den von mir übermittelten Daten zusammen mit meiner elektronischen Gesundheitsakte (in dem Umfang, in dem sie dem Arzt vorliegt beziehungsweise ich sie ihm freigegeben habe) automatisch ein zu meinem Kalender passender Termin herausgesucht – auch abhängig von der Dringlichkeit & Schwere meiner Symptome beziehungsweise potenziellen Erkrankung – und zwischen den beiden Systemen „verhandelt“ beziehungsweise vereinbart.

Dabei werden in der smarten Praxis auch die Termine der anderen Patienten (bezogen auf Schwere und Dringlichkeit) gegen meine Beschwerden evaluiert und zum Beispiel bei einem dringenden Notfall verschoben. Alle Patienten werden durch das Terminvergabesystem automatisch informiert und ihnen – abhängig von den Aufenthaltsorten, Anreisewegen & Verkehrssituationen – die aktualisierten Abfahrt- und Wegezeiten übermittelt.

Jeder Patient macht sich entsprechend den Angaben seines VPA auf den Weg zum Arzt. Da sich auch abhängig vom Verlauf der Termine beim Arzt Terminverschiebungen für die späteren Patienten ergeben können, werden deren Abfahrtzeiten zur Praxis laufend aktualisiert (ähnlich wie Siri oder Google Maps heute schon teilweise proaktiv und in Abhängigkeit von der Verkehrslage Fahrzeiten und Abfahrtsuhrzeit errechnen).

Der Praxisbesuch

In der „idealen Zukunft“ hätte der Patient dann nahezu keine Wartezeiten mehr in der smarten Praxis, sondern könnte sich direkt in den Behandlungsraum begeben, in dem er (als der nächste Patient) auf den Arzt wartet. Damit könnten auch Ansteckungsgefahren im Wartezimmer – zum Beispiel insbesondere für ältere oder immunsuppessierte Patienten – reduziert werden. Ein Wartezimmer wäre im Idealfall kaum mehr notwendig.

Wenn ich in der Praxis ankomme, dann verbinden sich mein Handy und die Praxis-Software dank der Geolokalisierung automatisch über Bluetooth (analog den Schweizer Kliniken und dem Notfallpass Medical ID, siehe mein Artikel „Organspendeausweis in der Schweiz“).

Smarte Arztbesuch
Ich werde automatisch in der Praxis-Software als „anwesend“ eingecheckt. Dabei werden die Daten meiner elektronischen Versichertenkarte automatisch abgeglichen, ein Dialogfenster öffnet sich und ich werde gefragt, ob bzw. welche Daten ich zusätzlich als Vorbereitung dem Arzt (für meine Akte bei ihm oder temporär für den Termin) übermitteln möchte.

Das könnten die gemessenen Vitaldaten von zuhause (zum Beispiel von meinem smarten Blutdruckmessgerät oder Thermometer), der über meine smarte Watch gemessene Puls oder andere Daten sein. Weiterhin kann ich noch zusätzliche Informationen zu meinen Beschwerden eingeben oder werde von der Praxis-Software bereits nach bestimmten weiteren Symptomen oder generell Informationen gefragt, die ich auf meinem Handy eingebe und die im System für den Untersuchungstermin gespeichert werden.

All diese Daten bekommt der Arzt zusammengefasst für meinen Termin vorgelegt. Im Sprechzimmer hängt ein Bildschirm an der Wand, auf der die für das Gespräch notwendigen Daten uns beiden, dem Arzt und mir, angezeigt werden. Ferner sind darüber auch seine Notizen während des Termins und der Untersuchung sichtbar – ich habe die Möglichkeit bei dem Eintrag falscher Daten in meiner Akte dies gleich anzusprechen oder bei etwas, was ich als engagierter Patient nicht verstehe, nachzufragen und mir gleich erklären zu lassen.

Abschließend erstellt der Arzt noch während unserem Termin auf seinem Rechner direkt in meiner Patientenakte die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Er gibt die notwendigen Daten und das „Bis-Datum“ ein. Mit dem Druck auf „Senden“ übermittelt das Praxissystem die Bescheinigung aus meiner Patientenakte an die hinterlegte Krankenkasse und – nachdem ich ihm vorher mein explizites Einverständnis gegeben habe – auch an meinen Arbeitgeber. Dies geschieht über die Weiterleitungsfunktion der Krankenkasse, die bereits heute über den digitalen Datenaustausch mit den Arbeitgebern verfügt. (ergänzt auf Hinweis von Rolf Kauke, siehe unten in den Kommentaren)

Die Arzneimittelbeschaffung

Die im Termin verschriebenen Medikamente werden direkt sowohl an meine Stammapotheke übermittelt, ebenfalls aus meinem Adressbuch auf dem Handy ersichtlich, als auch automatisch auf mein Handy (in die Gesundheitsakte beziehungsweise meinen Medikationsplan) übertragen.

„Während der Übertragung“ findet ein automatischer Check auf bei mir bekannte Nebenwirkungen und Allergien statt. Ebenso wird auf Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, die ich einnehme, geprüft (zum Beispiel mit dem Wechsekwirkungs-Check der – hier mit meinem Artikel verlinkten – App „Apotheke vor Ort – hilfreich (nicht nur) für chronisch Kranke“).

Dabei stehen für den Abgleich nicht nur die Daten der mir verschriebenen Medikamente automatisch zur Verfügung, sondern – durch den Abgleich mit der Dokumentation – meine tatsächlich eingenommenen Medikamente inklusive (Kopf-) Schmerztabletten oder anderen spontan eingenommenen, nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel (siehe mein Artikel „Erinnerung & Dokumentation von Medikamenteneinnahme“).

Nach erfolgreicher Prüfung der neuen Medikamente werden die vom Arzt verordneten Einnahmezeitpunkte (morgens, mittags, abends, zur Nacht) automatisch mit meinem Kalender und ggf. bereits existierenden Einnahmezeiten anderer Medikamente abgeglichen und mir passende Uhrzeiten vorgeschlagen. Diese kann ich mit einem Klick annehmen oder mir besser passende Zeiten eingeben. Als Ergebnis werden diese Daten automatisch in meiner App zur Medikamenten-Einnahme mit neuen Weckzeiten eingetragen. Dabei wird auch die Dauer der Einnahme, zum Beispiel 10 Tage bei einem entsprechend verschriebenen Antibiotikum, berücksichtigt.

Die an die Apotheke übermittelten Daten (also Medikamente) werden mit dem in der Apotheke vorhandenen Warenbestandssystem abgeglichen (wie es zum Beispiel ein polnisches Startup macht, siehe mein Artikel „In der Apotheke vorrätig?“) und eine seitens der Apotheke gegebenenfalls notwendige Beschaffung angestoßen.

Wahlweise wird mir dann der Zeitpunkt, ab wann ich das Medikament abholen kann, angezeigt oder – die logistischen Ideen führe ich jetzt hier mal nicht detaillierter aus – die Medikamente werden mir mit automatischer Zustellung über beispielsweise autonom fahrende Lieferwagen mit Drohnen oder fahrenden Robotern auf der letzten Meile direkt an die Haustür geliefert.

Ob so der Arztbesuch der Zukunft aussieht? Ich weiß es nicht und ich weiß nicht einmal, ob diese automatische Verkettung von Prozessen so wünschenswert ist. Tatsächlich aber sind die meisten der angesprochenen Teilschritte schon heute realisiert und müssten nur verknüpft werden…

Was meinen Sie, was halten Sie davon – schreiben Sie mir gerne in den Kommentaren mehr dazu!

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2 Comments

  1. Rolf Kauke

    Tolle Vision- und im Grunde wäre das alles heute schon möglich. Wollen Sie es noch ergänzen um die elektronische AU- Bescheinigung? Der Arzt löst diese aus, gibt das „Bis-„Datum ein und übermittelt die Bescheinigung aus seinem Praxissystem heraus a) in die Patientenakte, b) an die hinterlegte Krankenkasse und c) mit meinem aktiv erbetenen Einverständnis auch an meinen Arbeitgeber (dies geschieht über die Weiterleitungsfunktion der Krankenkasse, die bereits heute über den digitalen Datenaustausch mit den Arbeitgebern verfügt).

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    • Joerg Schiemann

      Guter Vorschlag, Herr Kauke, vielen Dank! Das werde ich in den nächsten Tagen mit Bezug auf Ihren Hinweis gerne ergänzen!

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